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Ein Ungeheuer mit Namen Fatigue

 

Etwa 80% der Lupus-Erkrankten kennen dieses Ungeheuer nur zu gut und beinahe Jeder erlebt, dass das Verständnis für dieses Symptom im sozialen Umfeld (und oft auch bei den Ärzten) kaum vorhanden ist.

Wer kennt sie nicht, diese (verletzenden) Sprüche wie "Du siehst gar nicht krank aus, stell Dich nicht so an", "mach mehr Sport, dann geht es Dir auch besser", "geh einfach früher ins Bett", "du bist so wehleidig", "alles nur psychsich" und und und.

 



Ich hatte bis jetzt das große Glück, diesem Monster fast nur wärend eines Schubs zu begegnen. Doch jetzt hat mich dieses Ungeheuer so richtig erwischt, wahrscheinlich als Folge einer Herpes Zoster Infektion, denn alle anderen möglichen Ursachen sind labortechnisch ausgeschlossen.


Es ist schon ein Glück, dass ich nicht mehr arbeiten muss. So kann ich morgens rumdrömeln, in Räuberzivil langsam "wach werden". In Normalzeiten brauchte ich locker eine bis eineinhalb Stunden, um in die Gänge zu kommen. Heute wird schon die morgendliche Badezimmerroutine eine Herausforderung. Ich genieße es, wenn die ersten Sonnenstrahlen frühmorgens meine Nase kitzeln und mich wecken, allerdings habe ich im Moment das Gefühl, es müsste eher der Mond sein, so wenig ausgeschlafen fühle ich mich. Einkuscheln und weiterschlafen - eine Option, die mir erfahrungsgemäß nicht wirklich hilft.

Das (eigentliche) morgendliche Recken und Strecken weicht einem Ächzen und einem, aus tiefstem Herzen kommenden, "Schiet". Die Socken liegen schon seit Wochen nicht auf dem Fussboden, sondern in Griffhöhe und sie werden noch im Bett angezogen. Bloß nicht bewegen - so früh am Tag ist mir bei Lageveränderungen noch ordentlich düselig. Lieblingssporthose und Hoodie übergezogen und dann ganz gemächlich und vorsichtig die Treppe runter in die Küche zur Kaffeemaschine.

Mit meinem Becher Kaffee schleppe ich mich ins Wohnzimmer auf die Couch, werfe den Sender von Micky Maus an und schaue irgendetwas, damit ich ja nicht wieder einschlafe (passiert trotzdem manchmal). Beim zweiten Becher Kaffee bin ich immerhin soweit, dass ich mit meinem Mann die Tagespläne beschnacken kann.

Am liebsten würde ich auf dem Sofa liegenbleiben, aber ich habe auch einen ausgeprägten Dickschädel und so kämpfe ich mich irgendwann nach oben ins Bad und dann "ordentlich" anziehen. Hinterher fühle ich mich, als hätte ich eine volle Schicht ohne Pause in der Klinik gearbeitet.


Meine Pläne für den Alltag beginnen fast immer mit den Worten "eigentlich müsste ich", oft bleibt es bei den Plänen. Meine Familie unterstützt mich, wann immer es nötig ist und, vorallem, wann immer ich es zulasse. Es gefällt mir nicht, dass mir viele alltägliche Dinge so schwerfallen und dann kann ich ziemlich bockig werden. Mein Kopf weiß genau, wann ich mich überanstrenge, aber der unvernünftige Rest will das nicht wahrhaben und dann rumms "habe ich den Salat".

Ich habe immer alles irgendwie geschafft in meinem Leben und habe mit dieser Limitierung massiv zu kämpfen. "Lächerliche" Arbeiten wie die Spülmaschine ausräumen oder auch staubsaugen strengen mich so arg an, wie früher ein 1000 m Lauf oder ein Handballspiel. Vom Nichtstun erschöpft - ein Zustand der mich verrückt macht. Obwohl ich in der Zwischenzeit immer häufiger vernünftig bin und mich nach meinem Körper und seinen Kapazitäten richte.

Verabredungen treffe ich spontan, plane nicht lange im Voraus, zumindest mit meiner besten Freundin. Alle anderen müssen mit Handynachrichten oder dem Telefon vorlieb nehmen. Die meisten Menschen in meinem Umfeld verstehen das und die, die es nicht verstehen, haben Pech gehabt. Ich habe gelernt (allerdings aus anderen Gründen), dass es nicht mein Problem sein kann, wenn manche Menschen mich gerne anders hätten, als ich bin. Es macht mich zwar sprachlos, aber es verletzt mich nicht mehr.


Das hinterhältige an diesem Ungeheuer ist seine Unberechenbarkeit. Von einem Moment auf den anderen kann sich ein "akzeptabler Tag" in einen "es geht gar nichts mehr Tag" verwandeln. Meistens ohne besonderen Anlass oder ohne Auslöser und das stresst mich sehr.

An manchen Tagen bin ich die Vergesslichkeit in Person, fallen mir Begriffe nicht ein, von denen ich weiß, dass mein Wortschatz sie enthält - mein Gehirn ist "pottendicht", also auf hochdeutsch völlig vernebelt. Auch meiner Lieblings-Faulsein-Beschäftigung, dem Lesen, kann ich dann nicht frönen, da ich der Handlung nicht folgen kann.

Das sind Momente, an denen ich hoffe, die Fatigue geht wieder - wie sonst auch.


 

Im Moment sieht es auf meinem Schreibtisch so aus - neben dem Laptop steht mein Lieblingsvernebler, der die ätherischen Ölen von europäischem Basilikum, Bergamotte und Rosmarin Ct. cineol  in die Luft "pustet".

So fällt es mir ein wenig leichter, konzentriert zu arbeiten und einen (hoffentlich) lesbaren Artikel zu verfassen.

 



Vor ein paar Tagen hatte ich einen Termin bei meinen Immunologen in der Ambulanz, 100 km von meinem Wohnort entfernt. Die Bahnfahrt war geplant, der Sitzplatz reserviert und die Zeiten so, dass ich mich nicht beeilen musste. Außerdem war ein Treffen mit einem Freund geplant, das ich sehr genossen habe. Am nächsten Tag war ich platt, es ging nichts mehr, einer der eher mühsamen Tage.

Im Oktober fahre ich drei Tage zur Fachakademie ins Allgäu. Bahnfahrt, Hotel und die Teilnahme waren lange geplant, bevor mich dieses Ungeheuer angefallen hat. Es wird sicher sehr anstrengend werden, aber ich freue mich riesig auf das Wiedersehen mit vielen "duften" Bekannten, die Vorträge und auch auf die Bahnfahrt zwischen Kempten und Oy - dieser Abschnitt ist das Highlight der Strecke in den Süden.

Auf solchen Reisen habe ich immer Riechstifte in meinem Rucksack. Normalerweise mische ich sie mir erst am Abend vor der Reise, da ich in der Zwischenzeit gelernt habe, dass es für mich wichtig ist, auf das aktuelle Duftempfinden zu achten.

Ein Kuschelduft und ein Duft zum Durchhalten sind bei längeren Reisen immer dabei, manchmal auch noch ein oder zwei zusätzlich, je nach Befinden.


Ich verwende Riechstifte aus Glas/Aluminium, die mit passenden Wattepads verwendet werden (oder hier).

Bei mir finden sich die Farben:

grün - für Mischungen zum Durchatmen, z. B. bei Erkältungen

rot - für Mischungen bei Erschöpfung, Müdigkeit (wenn die Power fehlt)

violett - für Kuscheldüfte

blau - für entspannende Düfte



Ein paar Beispiele für meine ganz persönlichen Riechstiftmischungen (ohne intensiv auf die Inhaltsstoffe der einzelnen Öle einzugehen):




Dies ist eine meiner Lieblingsmischungen, wenn ich mich nicht gut konzentrieren kann und mir das Durchhalten schwer fällt(Ein Tipp von meiner Prüferin Katharina.):

  • 6 Tropfen Grapefruit (Citrus paradisi)
  • 2 Tropfen Lorbeer (Laurus nobilis)

 

 

 

Meine ultimative "Hallo Wach" Mischung, nicht nur für den Riechstift, sondern auch im Vernebler:

 

  • 4 Tropfen Bergamotte (Citrus bergamia)
  • 3 Tropfen Rosmarin (Rosmarinus officinalis Ct. cineol)
  • 1 Tropfen Basilikum (Ocimum basilikum Ct. linalool)




Meine "Kopf-Kino-Aus" Mischung, wenn mich meine Situation um den Schlaf bringt:

  • 2 Tropfen Lavendel (Lavandula angustifolia Mill.)
  • 2 Tropfen Mandarine rot (Citrus reticulata Blanco)
  • 1 Tropfen Benzoe Siam (Styrax tonkinensis)
  • 1 Tropfen Osmanthus (Osmathus frangrans Lou.)
  • 1 Tropfen Vetiver (Bourbon gereift) (Vetiveria zizanioides)

 

Eine Kuschelmischung - warm, einhüllend, wohlig, zum Wohlfühlen:

  • 2 Tropfen Bergamotte (Citrus bergamia)
  • 2 Tropfen Mandarine rot (Citrus reticulata Blanco)
  • 2 Tropfen Neroli 10% (Citrus x aurantium L./Blüten)
  • 2 Tropfen Tonka(bohne) (Dipteryx odorata)
  • 1 Tropfen Benzoe siam (Styrax tonkinensis)
  • 1 Tropfen Rose bulgarisch 10% (Rosa damascena)

 



Neben Mischungen für den Riechstift gibt es weitere Möglichkeiten, sich Unterstützung durch ätherische Öle zu holen. Mit neutralen Duschgelen lassen sich individuelle Mischungen, zum Beispiel für den Start in den Tag, mischen.

  • 200 ml neutrales Duschgel
  • 10 Tropfen Wacholderbeere (Juniperus communis)
  • 10 Tropfen Lavandin (Lavandula x intermedia)
  • 10 Tropfen Kiefernadel (Pinus sylvestris)

Beim Kauf des Wacholderbeerenöls unbedingt auf die korrekte botanische Bezeichnung achten, denn es gibt ätherische Öle von anderen Juniperus-Arten, die andere Wirkweisen haben und unter Umständen auch toxische Nebenwirkungen.

Sollte nicht Juniperus communis auf dem Etikett stehen oder womöglich gar keine botanische Bezeichnung, bitte die Finger davon lassen.

Mit dem ätherischen Öl der Wacholderbeere kann man auch die Nebennieren anstupsen und so für ein wenig Unterstützung sorgen.

Wer mag, kann sich im Podcast Aromatherapie für die Ohren zum Thema Fatigue schlau hören.


Ich habe zwei Mischungen, die ich für Body-Butter, Badepralinen oder Körperöl verwende und die seit Jahren in ihrer Zusammensetzung stabil sind. Bei den Zitrusdüften kann es passieren, dass ich sie gegen einen anderen Zitrusduft austausche, aber es kommt eher selten vor.

Beides sind Wohlfühlmischungen, für mich erdend, stabilisierend, wenn mir der Lupus (und im Moment die Fatigue) den letzten Nerv raubt.


  • 12 Tropfen Grapfruit (Citrus paradisi)
  • 6 Tropfen Benzoe Siam (Styrax tonkinensis)
  • 6 Tropfen Ginster Absolue 15% (Spartium junceum L.)
  • 6 Tropfen Neroli 10% (Citrus x aurantium L./Blüten)
  • 3 Tropfen Frangipani Absolue 20% (Plumeria alba L.)

 

 

 


  • 10 Tropfen Lavendel extra (Berglavendel)(Lavandula angustifolia)
  • 10 Tropfen Blutorange (Citrus sinensis L.)
  • 8 Tropfen Limette (Citrus aurantiifolia Swingle)
  • 8 Tropfen Ginster 15% (Spartium jundeum L.)
  • 5 Tropfen Mimose 15% (Acacia dealbata Link.)
  • 8 Tropfen Neroli 10% (Citrus x aurantium L./Blüten)
  • 4 Tropfen Vanille (Vanilla planifolia)
  • 2 Tropfen Vetiver (Bourbon gereift)  (Vetiveria zizanioides)

Beide Mischungen riechen "runder", wenn man sie ein wenig reifen lässt. In der rechten Mischung könnte man statt des Vetiver auch 1 Tropfen Patchouli  verwenden, wenn man diesen Duft mag.


Badepralinen

 

 

Zutaten:

  • 60 g Sheabutter
  • 40 g Kokosöl nativ
  • 20 g Kakaobutter
  • 40 g Milchpulver
  • 40 Tropfen ätherische Öle

 





Herstellung:

Die Kakaobutter in einem hohen Gefäß im Wasserbad schmelzen - sie benötigt mehr Hitze als die anderen Fette und wird daher zuerst geschmolzen.

Ist die Kakaobutter flüssig, das Gefäß aus dem Wasserbad nehmen und etwas abkühlen lassen, damit die Inhaltsstoffe von Kokosöl und Sheabutter nicht zerstört werden. Als nächstes Kokosöl und Sheabutter zufügen, eventuell das Gefäß immer mal kurz in das Wasserbad stellen, bis die Fette geschmolzen sind.

Das Milchpulver wird zugefügt, wenn alle Fette geschmolzen sind. Gut rühren, denn dadurch kühlt die Masse auch etwas ab.

Die ätherischen Öle erst zugefügt, wenn die Masse abgekühlt ist (aber noch flüssig), in Formen gießen und etwa 2 bis 3 Stunden in den Kühlschrank stellen.

Die Pralinen aus den Formen lösen und an einem kühlen Ort noch 2 Tage aushärten lassen.

Nach dem Baden ist kein zusätzliches Pflegen der Haut notwendig.

Sollten die Pralinen verschenkt werden bitte nicht vergessen, sie deutlich als Badepralinen zu kennzeichnen.


Body-Butter

Zutaten:

  • 120 g Sheabutter
  • 80 g Kakaobutter
  • 50 g Kokosöl nativ
  • 70 g Mandelöl
  • 30 g Jojobaöl

Herstellung:

Die Kakaobutter wird in einem sauberen, hohen, schmalen mindestens 1 l Rührgefäß im Wasserbad (nicht über 40 Grad)

In einem sauberen, hohen, schmalen Gefüß (1l Rührbecher)schmilzt man im Wasserbad zuerst die Kakaobutter an und gibt dann Sheabutter und Kokosöl dazu. Ist die Konsistenz flüssig, kommen die restlichen Öle dazu.

Diese Mischung mit einem sauberen langstieligen Löffel kalt rühren - dauert etwas. Am besten stellt man das Rührgefäß in einen Topf mit kaltem Wasser oder Eiswürfeln.

Wird die Mischung weiß und fester, kommen die ätherischen Öle dazu. Die rechte Mischung von oben wäre eine Möglichkeit. 

Als nächstes wird mit einem elektrischen Rührgerät für bis zu 10 Minuten weitergerührt.

 

Die Konsistenz wird wundervoll sahnig und fest.

Das Abfüllen ist etwas schwierig, am besten benutzt man 2 Teelöffel/Eßlöffel, je nach Größe des Behältnisses, in den die Body-Butter abgefüllt werden soll.

Wichtig:

  • die Behälter vorher mit Alkohol reinigen.
  • Entnahme nie mit den Fingern, sondern mit einem sauberen Kosmetikspatel oder einem sauberen Löffel.

 


 

Dies ist ein Projekt für einen absolut guten Tag, aber es lohnt sich. Man kann diese Body-Butter auch ohne ätherische Öle anrühren. Ich habe zum Beispiel die Menge der Sheabutter auf 150 g und die Kakaobutter auf 100 g erhöht und 70 ml extra starken Espresso dazu gegeben. Duftet herrlich und gibt eine interessante Farbe.

Hier gibt es eine Fotostrecke und eine etwas andere Rezeptur.

Ich habe meine Rezeptur auf einem Seminar kennengelernt, woher die Urrezeptur stammt, weiß ich nicht. Es gibt dazu unterschiedliche Meinungen.


Neben der Unterstützung durch die ätherischen Öle ist Bewegung/Sport nach aktuellem Befinden wichtig und ich versuche, mich daran zu halten. Ich habe zwar etwas mehr Schmerzen, kann sie jedoch ganz gut tolerieren.

Auch die Ernährung ist ein wichtiger Faktor. Obst und Gemüse, wenig Kohlenhydrate und mehr Eiweiß - das hilft mir. Ich esse gerne Brot, Nudeln und Kartoffeln, aber im Moment machen mich diese Kohlenhydrate eher müder und daher habe ich meinen Speiseplan umgestellt. Allerdings hat das etwas gedauert, da ich zu Beginn der Symptomatik überhaupt keinen Appetit, bzw. Hunger hatte.

Schlafprobleme und Depressionen sind ebenso schwere Begleiterscheinungen (oder Auslöser) wie Schmerzen. Jede Fatigue ist individuell und so gäbe es sicher noch mehr Unterstützungsbedarf/-möglichkeiten. Falls es dazu Wünsche oder Fragen gibt, einfach mailen (siehe hier).


Die letzten Jahre mit Covid haben zumindest in Bezug auf die Fatigue etwas Gutes gehabt - sie haben die Sensibilität der Ärzte für dieses Symptom erhöht. Es wird nicht mehr grundsätzlich weggelächelt, sondern viel häufiger ernst genommen.

Ich hoffe, dass dieser Trend sich fortsetzt und den Menschen, die mit diesem Ungeheuer leben müssen, Unterstützung zu Teil wird und sie ernst genommen werden.

Es ist jedoch genauso wichtig, dass wir uns selber ernst nehmen, auf uns achten und "nett zu uns" sind - be kind to yourself!


Ein paar Zusatzinformationen/Links:

Ich liebe die "Löffeltheorie". Sie macht, ganz einfach erklärt, deutlich, dass man als Mensch mit einer Lupuserkrankung (oder anderen chronischen Erkrankungen) nicht über eine unendliche Energie verfügt.

2003 hat Christine Miserandino der "Spoon Theory" das Leben geschenkt. Wer mag, kann das Original hier nachlesen und hier ein Video von 2012 mit Christine anschauen.


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