Meine Nase - deine Nase

8. Juli 2020

Im Laufe meiner Ausbildungen habe ich viel über ätherische Öle gelernt, ihre Inhaltsstoffe und Anwendungsgebiete. Ich habe aber nicht nur gelesen und gehört, sondern auch gerochen und habe danach meine ganz persönliche Duftapotheke zusammengestellt. Natürlich habe ich die Anwendungsgebiete als wichtigstes Auswahlkriterium bei der Auswahl vorangestellt - oder nicht?

Danke Liba für das Foto

 



Meine Duftvorlieben gehören den warmen, umhüllenden Düfte mit ein wenig Süße  wie Neroli, Jasmin, Frangipani, Tuberose oder Ginster.

Die Duftvorlieben meiner Hunde sind dagegen schon sehr unterschiedlich. Max Husky war verrückt nach Vanille, Tonka und Benzoe, während Rocky Zwergenkind von Lavendel nicht genug bekommen konnte. Eines haben meine Fellnasen gemein - sollten sie ein bestimmtes ätherisches Öl benötigen, dann war ihnen der Duft gleichgültig, solange wir uns bei der Anwendung an die, von unseren Hunden, vorgegebenen "Richtlinien" gehalten haben.

Meine Hunde mochten keine Zitrusdüfte (Ausnahme Orange), keinen Thymian - auch nicht Linalool, keine krautigen Düfte wie zum Beispiel Basilikum, Salbei und kein Teebaum, Manuka, Niaouli oder andere scharfe Düfte.

 Aus welchem Grund ist das wichtig für die Anwendung ätherischer Öle bei Hunden?

 

Schauen wir uns mal unsere Nasen an:

Wir Menschen haben ein Riechepithel mit einer Fläche von etwa 5 cm² und etwa 30 Millionen Rezeptoren. Ein Schäferhund hat ein Riechepithel mit einer Fläche von etwa 150 cm² und ungefähr 220 Millionen Rezeptoren.

Für die meisten Geruchsstoffe liegt die Reizschwelle bei Hunden so niedrig, dass schon geringste Konzentrationen wahrgenommen werden können. An der Oberfläche der Dendriten der Riechzellen befinden sich Rezeptoren an denen die Duftstoffe anbinden. Diese Rezeptoren sind zell - und duftstoffspezifisch, so dass eine große Anzahl von Duftstoffen differenziert werden kann.

Durch die Bindung der Duftmoleküle an die Rezeptoren wird eine Welle von Reaktionen in der Riechzelle ausgelöst, die zur Öffnung von Ionenkanälen in der Zellmembran führen. Dadurch findet eine starke Reizpotenzierung statt, so dass nur wenige Duftmoleküle ausreichen, um einen Geruchsreiz zu bewirken. Somit ist der Geruchssinn ein "Fernsinn", der sehr sensibel auf geringe Konzentration der Duftstoffe reagiert.

Ein typisches Beispiel: Max und Rocky rochen "Mädchenpippi", möglichst noch von einer läufigen Hündin. Dann zitterten die Ohren (konnte man bei Max' Stehohren super sehen), die Lefzen zitterten und der Sabber lief......

Im Sozialverhalten der Tiere spielen die Duftstoffe eine bedeutende Rolle, z.B. zur Abgrenzung des Lebensraumes (Homerange), bei der Partnersuche oder Partnerwahl, der Auswahl der Nahrung und auch bei der Kontrolle der Nahrung.
Gerüche können auch bei den Hunden starke Emotionen wachrufen und Erinnerungen an Situationen, in denen sie diese Düfte bereits wahrgenommen haben. So können sie nachweislich Reaktionen am Hormonsystem auslösen - hier sind besonders die Pheromone hervor zu heben.
Das Wissen um den sehr gut ausgeprägten Geruchssinn unserer Fellnasen ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine optimale Anwendung der ätherischen Öle bei Hunden.


Ich habe mich 2001 in Max Husky "verguckt", in einen schwerst traumatisierten Hund, was ich allerdings beim ersten Rendevouz nicht wusste. Schon damals hatte ich ein duftes Zuhause. Unsere Huskyhündin Svenja roch am liebsten Pom-Poms aus dem Backofen oder DAS Deo meines Mannes, bzw. Svenjas Lieblingshaushaltsmitglied - sie machte sich nichts aus ätherischen Ölen. Der Raum, in dem die Öle aufbewahrt wurden, lag in der ersten Etage und so kam auch Max nicht in den Genuß, sich intensiver mit den Düften auseinandersetzen zu müssen, denn er ging zu Beginn unseres Zusammenlebens keine Treppen. Hatte ich, wenn es nach den Nasen meiner Hunde ging, die Frechheit besessen und etwas "Duftes" mit nach unten gebracht, waren alle beide wie vom Erdboden verschluckt. Svenja wirkte immer tödlich beleidigt, wenn ich ihre Nase mit meinen Düften malträtierte. Max verkroch sich in die hinterste Ecke, die er finden konnte. Durch ein Telefonat und eine Vanilleschote hat sich dieser Zustand im Sommer 2001 geändert. Max hat sich in den Duft von Vanille "verrochen" und diesen Duft bis zum Schluß geliebt. Svenja fand ihn immerhin so akzeptabel, dass sie ihren Hundekumpel königlich gewähren ließ.

Rocky Zwergenkind war ab 2003 der Dritte im Bunde, mit seinen ganz eigenen Duftvorlieben. Er liebte Lavendel und Neroli, die süßen Lieblingsdüfte seines Hundekumpels akzeptierte er, war aber nicht sonderlich erpicht darauf. Mit dem Tod von Max Husky 2013 hat sich das allerdings geändert, ab diesem Moment konnte Rocky nicht genug von Pfötchenmassagen mit Max' Vanillemazerat bekommen. Vanille, Benzoe und Grapefruit im Aromavernebler liebte er, die Dosierung dieser Mischung lag bei 0,2%

Svenja hat Zeit ihres Lebens keinen Zugang zu den ätherischen Ölen gefunden, aber sie hat ihre Hundefreunde gewähren lassen, solange sie einen "duftfreien" Rückzugsort hatte.

Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass es bei mehr als einem Hund in einer Familie oder in einer Zwingeranlage überaus wichtig ist, alle Hunde bei der Anwendung von ätherischen Ölen zu berücksichtigen. Es muss sichergestellt sein, dass nicht "behandelte" Tiere sich zurückziehen können oder in einer Zwingeranlage eine Separation des Tieres möglich ist.


Natürlich kann genausowenig die Duftvorliebe des Futtersacköffners unbeachtet bleiben oder anderer zweibeiniger Familienmitglieder. Krankheiten und Allergien sind ebenso zu beachten.

Es ist also so, dass bei jeder Anwendung von Aromapraktik (Aromatherapie) beim Hund alle im Familienverband vorhandenen Lebewesen berücksichtigt werden müssen, frei nach dem Motto: "Was meine Nase liebt, darf Deine Nase verabscheuen."

 

Ich habe in der Zwischenzeit fast 20 Jahre Erfahrung mit der Anwendung ätherischer Öle bei Hunden und erschrecke mich häufig, wenn ich in Skripten aus meiner Anfangszeit als Referentin lese. Im Laufe der Jahre haben mir viele wunderbare Fellnasen gezeigt, dass man die Anwendung beim Menschen nicht als Grundlage nehmen kann, um Hunde mit ätherischen Ölen zu unterstützen. Natürlich ist das Wissen um die biochemischen Inhaltsstoffe ein absolutes Muss und es ist sicher von Vorteil, wenn man in der Anwendung der Öle beim Menschen ein wenig Vorerfahrung hat.

Ich gebe heute keine allgemeinen Rezepturen mehr weiter oder wende Dosierungen von mehr als 1,5% an. Ich treffe bei den ätherischen Ölen auf Grund ihrer Inhaltsstoffe, passend zum gewünschten Effekt, eine Vorauswahl und lasse den jeweiligen Hund dann nach seiner Nase entscheiden, was er möchte.

Auf schwere, intensive Düfte (z.B. Patchouli, Ylang-Ylang) verzichte ich und auch erdige Düfte wie z.B. Angelikawurzel, Cistrose etc. beziehe ich nicht in die Wahlmöglichkeit für den Hund mit ein. Sollte es aus physischen/psychischen Gründen unbedingt notwendig sein, ein solches Öl zu verwenden, sollte es immer erst in die (eigentlich) fertige Mischung gegeben werden.

Viele Hunde mögen weder Walddüfte noch Zitrusdüfte und auch Eukalyptus ist oft nicht angenehm in der Hundenase. Anstelle Eukalyptus wäre Cajeput möglich, anstelle Grapefruit Orange oder Mandarine, anstelle der frisch und krautig duftenden Nadelöle wäre Zeder unter Umständen eine Alternative.

 

Eine andere Möglichkeit wäre, ein Hydrolat (z.B. Cistrose) mit ein paar wenigen Tropfen ätherischem Öl (Cistrose) zu mischen und so eine nicht so stark duftende Alternative zum reinen ätherischen Öl zu bekommen - zusätzlich dazu gibt es noch Wirkung des Hydrolates.


Nach meiner Meinung ist es wichtig, dass nicht jedes ätherische Öl, welches sich in meinen Duftvorräten befindet, zur Anwendung bei meinen Hunden verwendet wird. Achten Sie im Alltag mal darauf, wie Ihr Hund auf verschiedene Düfte reagiert - Sie werden erstaunliches erleben. Manchmal reicht schon der Wechsel eines Duschbades oder eines Deos und die Fellnasen reagieren anders als sonst. Es macht wirklich Spaß und man lernt ganz nebenbei die Vorlieben der Hundenase.

Ich wünsche mir, dass bei der Anwendung der ätherischen Öle/Hydrolate daran gedacht wird, dass unsere Fellnasen von Natur aus Fleischfresser sind und so keinen, ihrer Natur entsprechenden, Zugang zu Pflanzen wie z. B. Kräuter, Blumen oder Gräser haben.

Ich wünsche mir, dass den unterschiedlichen Nasen von Hund und Mensch Rechnung getragen wird und in Seminaren ein wenig mehr darauf hingewiesen wird, dass es in der Anwendung der Aromapraktik wichtig ist, zu beachten ob ich einen Hund oder mehrere im Haushalt habe und unter Umständen noch ein Tier einer anderen Spezies.

 

Wir sollten lernen, dass es einen großen Unterschied macht, ob meine Nase etwas wahrnimmt oder deine Nase - nicht nur in Bezug auf den Duft, sondern auch in Bezug auf die Reaktionen, die unser Limbisches System und unsere Erinnerung mit diesem Duft in Verbindung bringt - denn das funktioniert auch bei unseren geliebten Fellnasen.